FEUER UND WASSER

Es war ein toller Wintertag. Eisig kalt zwar, aber voller Sonnenschein. Der kleine Weiher unterhalb des Dorfes war fest zugefroren und lud zum Schlittschuhlaufen ein. Wie gerne wären wir dieser Beschäftigung doch nachgegangen, nur war da halt leider der Konfirmandenunterricht. Aber das liesse sich bestimmt mit geringem Aufwand ändern. Eine kurze Besprechung, und der Plan war genagelt.

Das Pfarrhaus lag etwa zwanzig Meter von der Dorfkirche entfernt in einem Hinterhof und war von dieser nur durch ein kleines Strässchen getrennt. Im kleinen Holzanbau des Hauses gab es unten einen Raum mit einem langen Holztisch, alten Stühlen und einem grossen, pechschwarzen Eisenofen. Wenn es draussen kalt war, musste Anna, die Haushälterin des Pfarrers, etwa zwei Stunden vor dem Unterricht diesen Eisenofen anfeuern. Denn nur so war es überhaupt möglich, während des Unterrichts in diesem Raum nicht zu erfrieren.

Anna war eine ältere und äusserst liebenswürdige Seele. Obwohl sie fast so breit war wie lang, konnte sie sich bei Bedarf flink wie ein Wiesel bewegen. Wir liebten sie sehr, denn meistens hatte sie für uns auch irgendeine kleine Köstlichkeit zubereitet.

Für Anna war das Anfeuern des Eisenofens immer eine grössere Prozedur. Sie legte zuunterst auf den Eisenrost des Ofens ein paar zusammengeknüllte Zeitungen. Darauf kamen dann mehrere ganz dünne «Holzsprissli». Quergelegte, grosse Holzscheiter beendeten dann den Aufbau. Über das Ganze verteilte sie mit einem alten Suppenlöffel etwas Sägemehl, welches mit Petrol getränkt war. So bestand eine gewisse Chance, dass nach einer kurzen Rauchphase ein schönes Feuer loderte. Nach etwa einer Stunde hatte sich dann der Ofen in ein fast glühendes Wärmekraftwerk verwandelt.

Wir nahmen an, dass dies wegen der grossen Kälte auch heute so geschehen würde, und genau da galt es einzuhaken! Da die Türe zum Unterrichtsraum nie verschlossen war, konnten wir unser Eindringen so planen, dass wir vor Annas «Anfeuerversuch» im Raum waren. Dies gelang uns auch, aber wir mussten uns schon ziemlich beeilen, damit wir dann möglichst rasch wieder weg sein konnten. Wir öffneten die Ofentüre und stellten fest, dass Anna den Holzaufbau wie erwartet schon vorbereitet hatte. Nun kam die geplante Aktion: Zwei von uns öffneten blitzschnell ihre Hose und tränkten den Holzaufbau mit einem gezielten Urinstrahl. Die Ofentüre wurde wieder verschlossen – und ab ging es!

Etwa eine halbe Stunde vor Unterrichtsbeginn kamen wir dann wie nichts ahnend zum Unterricht. Aber sobald wir die Türe zum Unterrichtsraum öffneten, schlug uns ein stinkender, beissender Rauch entgegen. Anna sauste verzweifelt herum und stotterte andauernd: «Mein Gott – oh mein Gott…». In der ganzen Aufregung hatte sie noch nicht einmal daran gedacht, die Fenster zu öffnen.

Es ging nicht lange, da kam auch der Pfarrer. Er begegnete einer niedergeschmetterten Anna und einer hustenden Schar von Konfirmanden. Angesichts dieser Lage blieb ihm keine andere Entscheidung, als den Unterricht ausfallen zu lassen.

Klar, dass wir vorgängig unsere Schlittschuhe schon beim Eisweiher deponiert hatten. So konnten wir ohne Verzögerung unserer tollsten Beschäftigung nachgehen und damit den leider ausgefallenen Unterricht besser verschmerzen.